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Referat von Christoph Brand

Christoph Brand, CEO Axpo Holding AG

12. April 2023

Die letzten Monate haben es gezeigt: Die Stromversorgungssicherheit der Schweiz ist gefährdet. Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat zu einer Energiekrise in ganz Europa geführt. Strom- und Gaspreise sind zeitweise regelrecht explodiert. Zudem wurde die Stromproduktion durch weitere Faktoren wie eine extreme Trockenheit oder Korrosionsprobleme bei französischen Kernkraftwerken beeinträchtigt. Vielen wurde bewusst: Die Versorgungssicherheit ist nicht selbstverständlich – und es braucht enorme Anstrengungen, um diese in Zukunft sicherzustellen. Das ist technisch möglich, jedoch bestehen erhebliche Risiken, wie Christoph Brand, CEO der Axpo Gruppe, in seinem Vortrag ausführte.

Die Schweiz produziert aktuell etwa so viel Strom, wie sie über das ganze Jahr verbraucht. Im Winter jedoch ist unser Land auf Stromimporte angewiesen. Hinzu kommt: Der Strombedarf wird weiter steigen, gleichzeitig werden die Kernkraftwerke ab den 2030er Jahren sukzessive vom Netz gehen. Die Folge: vom heutigen Ausbautempo hochgerechnet, fehlen der Schweiz im Jahr 2050 rund 50 TWh Strom pro Jahr. Was tun? Für Christoph Brand ist klar, es braucht auf jeden Fall einen schnellen und massiven Ausbau der erneuerbaren Energien wie Photovoltaik und Wind. Denn gerade hier bildet die Schweiz im europäischen Vergleich das Schlusslicht. Die EU produziert fast 23 Prozent ihres Stroms mit PV und Wind, die Schweiz gerade mal 6,5 Prozent. Grosse Photovoltaikanlagen und Windparks sind heute die günstigsten und am schnellsten realisierbaren Produktionstechnologien, unabhängig von Förderbeiträgen. Zudem belasten sie die Umwelt nicht und sind völlig rückbaubar. Nur mit Wind und Sonne wird es aus heutiger Optik jedoch nicht gehen, für den Winter braucht es auch längerfristig einen kleineren Teil an steuerbaren Kraftwerken und eine möglichst umfassende Integration in den Europäischen Strommarkt zwecks Sicherung der Importkapazität. Autarkie ist eine teure Illusion.

Damit wir diesen Rückstand aufholen können, muss die Politik die regulatorischen Rahmenbedingungen für den Ausbau der erneuerbaren Energien schaffen. Mit dem sogenannten «Solarexpress» hat das Parlament im Bereich PV richtige erste Schritte eingeleitet. Dies erlaubt es beispielsweise, dass Axpo ihre PV-Ausbauziele auf 1,2 GW versechsfacht und sich Investitionen allein in die Schweizer Photovoltaik von 1.5 Milliarden bis 2030 vorgenommen hat. Was es weiter braucht: eine massive Beschleunigung und Steigerung der Erfolgswahrscheinlichkeit von Bewilligungsverfahren. In der Schweiz dauert es Jahrzehnte, bis z.B. ein Windpark erreichtet werden kann, die Chancen eines Gelingens sind zudem zu tief. In Frankreich geht es von der Baueingabe bis zur Aufnahme der Produktion normalerweise nicht mehr als fünf Jahre und die Chance des Erfolgs vor Gericht ist bei einer professionellen Projektführung hoch.

Für Christoph Brand ist klar: Wenn wir die Versorgungssicherheit der Schweiz stärken wollen, müssen alle Akteure Teil der Lösung sein. Neben der Politik sind auch die Energieunternehmen in der Pflicht, um so viel Produktions- und Netzkapazitäten wie möglich zu bauen. Die gesamte Wirtschaft wiederum muss akzeptieren, dass Versorgungssicherheit einen Preis hat. Die Umweltschutzorganisationen müssen das Interesse der Versorgungssicherheit ebenfalls in die Güterabwägung einbeziehen. Als Gesellschaft sind wir somit gefordert, wenn es darum geht, neue Kraftwerke zuzulassen. Es braucht Kompromissbereitschaft, denn auch bei der Energie gilt: Einen «free lunch» gibt es nicht. Unsere Klimaziele erreichen, die Versorgungssicherheit auch mit der steigenden Nachfrage garantieren, alles zu möglichst tiefen Strompreisen erreichen aber jegliche Investitionen in alle möglichen Technologien aus unterschiedlichsten Partikularinteressen heraus verhindern funktioniert nicht.

Dr. Christoph Eisenring, Wirtschaftsredaktor der NZZ, moderierte im Anschluss an dieses spannende Referat die Fragerunde. Danach offerierte die ZVG den Teilnehmenden einen Apéro.